Kirche und Techno?! Geht.
Wenn nicht in Berlin, der Hauptstadt des Technos, wo dann?
18:45 Uhr, Freitag Abend, eine tanzwütige Crowd von Menschen strömt in die St. Thomas Kirche in Kreuzberg, Berlin. Sie sind alle gekommen, um der Techno-Andacht von Robert Hood zu lauschen, international bekannter Techno-DJ und -Produzent. Klar, wenn durch einen zufälligen „Kiezkontakt“ der Tresor-Club gemeinsam mit der evangelischen Kirche ein Event startet, dann spricht sich das rum. Und dann strömen plötzlich Leute in die Kirche, die sich normalerweise Sonntag morgens um 4 erst in die Schlange vorm Club reihen. Als Zeitpunkt für die Techno-Andacht wurde passenderweise der 9. November gewählt. „The saddest, but also the happiest, day in history“. Die Reichskristallnacht 1938 war einer der traurigsten Tage der Geschichte und erinnert daran, dass Antisemitismus, Homophobie und jegliche Form von Rassismus in der heutigen Gesellschaft keinen Platz mehr haben dürfen. Gleichzeitig war dieser Tag 1989 einer der glücklichsten der Geschichte, denn die Mauer ist gefallen. Eine großartige Idee, um an diesem Tag eine Message zu verbreiten, die jeder hören sollte: „Let’s build bridges of love.”
Daran knüpfte Robert Hood an, der nicht nur DJ, sondern auch Pastor einer Gemeinde in Detroit ist: „Gott ist die Liebe, die uns Stärke gibt. Er reißt Mauern ein. Techno, Party, Musik ist ohne Gott nichts wert. Am Ende bringt es uns alles nichts, wenn wir Gott nicht haben“. Zuvor hatte er in einem Gebet den Heiligen Geist um seine Anwesenheit gebeten und man merkte deutlich, wie sich die Atmosphäre im Raum veränderte. „Gott hat mich buchstäblich aus meinem Schlaf erweckt und mir gesagt: Ich will, dass du das Evangelium durch deine Musik verbreitest.“ Hood erzählte von Gottes Liebe und seiner Gnade, wie sie in Epheser 5 beschrieben ist und teilt auch den Moment in seinem Leben, an dem er am absoluten Tiefpunkt war und dann Gott begegnete. Gott zu begegnen, persönlich und real – diese Chance gab es am Ende für jeden, als Hood dazu einlud, ein gemeinsames Gebet zu sprechen. Und dann widmete er sich endlich seinem DJ Pult, der Moment, auf den alle gewartet haben. Der Sound in dieser großen, alten Kirche, war bombastisch. Es hat nicht lange gedauert, bis keiner mehr still stand.
Und was unterscheidet Hoods Sets von anderen Techno-Sets? Eigentlich nicht viel, außer dass die untergemischten Gospelklänge deutlich positive Botschaften (z.B. I’ve got freedom) übermitteln. Auf die Frage hin, wie Techno und Kirche zusammen geht, griff Hood auch genau diesen Punkt auf: „Musik hat heilende Kräfte, und wir brauchen Heilung für unseren Geist. Durch Worte ist das möglich. Gott hat sich Musik als Werkzeug für Worship gedacht.“
Aber nicht nur Techno stand an diesem Abend im Fokus, auch „echte Kirchenmusik“ und Hymnen kamen zum Zuge – ein absolutes Kontrastprogramm. Aber auch hier, wunderschöne Klänge und Stimmen, die diese eine verbindende Botschaft der Liebe transportierten: There will be peace in the valley form me one day, there will be no sadness, no sorrow.
Ein Event, das scheinbar ganz gut zu funktionieren schien. Warum also machen wir so etwas nicht öfter? „Das Ganze war ein ganz großes Experiment, das wir vorher so noch nie gemacht haben. Es hat Mut von allen Seiten erfordert“, erzählt Steffanie Hoffmann, Pfarrerin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Genauer gesagt Pfarrerin für Kirche im digitalen Raum, d.h. sie widmet sich der Digitalisierung der Kirche in all ihrer Vielfalt. Dabei beobachtet sie u. a. auch die Gesellschaft im Wandel, bei der Musik eine große Rolle spielt. Was früher “normal” war, ist heute nicht mehr zeitgemäß. Musik, die Menschen früher berührt hat, erzielt heute nicht mehr bei jedem eine Wirkung. Wie lässt sich also “neue Musik” mit klassischen Formen zusammenbringen? Und wie kann man durch Musik Chancen erkennen und neue Zielgruppen erreichen? “Dafür war das Event heute ein grandioses Beispiel. Es bleibt ein Gottesdienst, auch wenn die Orgel nicht spielt”, so Steffi.
Fazit: Tolle Idee, tolles Event. Mehr davon. In Berlin und auch anderswo.
Empfehlenswerter Artikel über Robert Hood auf vice.com:
“Der Sonntag Morgen in einem Club ist wie ein Gottesdienst. Robert Hood über Techno und Gott.”