Interview mit Stefan Paas: "Wir müssen lernen, der Welt zuzuhören." (Teil 1)
Stefan und ich (Motoki) begegneten uns das erste Mal auf der Redeemer Church Planting Conference in Berlin 2011 und ich wurde sehr aufmerksam, als Stefan nicht von dem üblichen Gemeindegründerparadigma, den Zahlen und dem Wachstum im klassischen Sinne sprach. Er hinterfragte die klassischen, oftmals quantitativen Ziele von Gemeindegründung im Sinne von „church planting as the most effective way to reach people“. Seine Fragen waren damals: Geht es bei Gründungen immer um „Köpfe“ und „Conversions“, so wie ein Mann mit einem Hammer immer den Nagel suchen wird? Oder geht es vielleicht bei der Mission und Gemeindegründung vielmehr um die Veränderung in der Stadt und Umgebung, z.B. im Hinblick auf die Barmherzigkeit, soziale Gerechtigkeit und viele andere Faktoren? Brauchen wir nicht eine neue Brille und eine neue Sicht auf Mission und Church Planting? Mit diesen Fragen verfolgte ich Stefans Arbeiten über die letzten Jahre und stellte ihm dieses Jahr ein paar Fragen.
Vorab ein paar Informationen zu seiner Person: Dr. Stefan Paas lebt in den Niederlande und ist Theologe und Buchautor. Er ist Professor für Missiologie und interkulturelle Theologie an der Freien Universität Amsterdam und Professor für Missionswissenschaft an der Theologischen Universität Kampen.
Spark: Stefan, Du beschreibst Dich selbst in Deinem letzten Buch als einen „skeptischen Anwalt für Gemeindegründung“ – warum?
Seit 2010 forsche ich nun im Umfeld von Church Planting und ich war schon immer ein Freund von Kirchengründungen und Kirchengründungsbewegungen. Aber nicht alles, was ich sehe, ist interessant. Vieles was ich sehe, reproduziert Modelle, die aber nicht in jedem Fall den säkularen Kontext gerecht werden. Zum Beispiel: Was machst Du mit einem Willow Creek Modell im Kontext von Ostdeutschland? Es ist einfach ein Unterschied, ein „Christ“ in Europa und insbesondere in Ostdeutschland zu sein, als in den USA. Ich glaube Gemeindegründung muss sorgfältig durchdacht sein und gründlich erforscht werden - wie in einem guten Labor.
Spark: Was braucht es für wirksame Modelle in Europa?
Ich denke wir brauchen die Institutionen, die diese lokalen Initiativen unterstützen, so dass sich die lokalen Projekte auf ihre Arbeit konzentrieren können. Oftmals sind diese besonders wirksam, wenn sie mit nicht christlich sozialisierten Menschen zusammenarbeiten. Dafür braucht es vor allem unerschrockene Christen, Gründer, Entrepreneure, die mutig in neue Umgebungen investieren und ungewöhnliche Wege gehen.
Häufig trennen wir Evangelisierung und soziales Engagement. Ich freue mich über moderne, theologische und praktische Ansätze, in denen beide Seiten ganzheitlich zusammen gedacht werden – meines Erachtens wirksam zu beobachten in lokalen, kleinen Communities.
Spark: Häufig beobachten wir auch in unserem Kontext ein Reproduzieren des alten Modells in neuen Schläuchen, z.B. durch Verlegung der Gottesdienstaktivitäten in modernere Umgebungen. Was braucht es, um tiefgreifendere, innovative und paradigmenverändernde Modelle zu entwickeln, die Du auch in Deinem Buch ansprichst?
Für die mehr „radikalen“ Ansätze und Erneuerung der Communities braucht es neue „fresh expressions“, die in einem gesunden Abstand zum Zentrum der Institutionen stehen und dennoch – fast widersprüchlicher Weise – mit ihnen auf irgendeine Art und Weise verbunden sind. Es braucht vor allem eine Menge Vertrauen und Freisetzung für die Gründer und Starter, einen interessanten Mix von divergierenden Menschen, Künstlern, Geschäftsleuten, Sozialarbeitenden etc., die entsandt und gesandt sind, ein neues Umfeld zu kreieren.
Hierfür braucht es viel Gestaltungsfreiheit, neues Denken, neue Einrichtungen und ungewöhnliche Plätze, um unterschiedliche Ansätze und Modelle auszuprobieren. Wir können diese Gründungen maximal beobachten, um von ihnen zu lernen, auch wenn vieles implizit bleiben wird. Durch Hospitationen und Feedbackschleifen kann man dann unter Umständen neue Ansätze, Methoden und Learnings herausziehen. Damit eigenständige Gründungen „gesund“ bleiben, tut auch ein wenig Begleitung und Governance gut.
Teil 2 des Interviews folgt in Kürze.