Weitwinkel 09 - Segeln am Abgrund von Tradition und Innovation
Wir saßen im Raum, Dutzende Menschen mit gefesselten Händen und verklebten Mündern, eingetaucht in die rohe Poesie von Mark. Am ersten Abend von Weitwinkel 09 führte uns diese Inszenierung in das Thema Machtlosigkeit in ihrer reinsten Form ein. Es war ein Moment, der die Essenz von Weitwinkel Spark perfekt einfing: Mut, neue Wege und die Bereitschaft, unbequeme Fragen zu stellen.
In einer Zeit, in der der christliche Glaube oft als antiquiert oder polarisierend wahrgenommen wird, wagen wir immer wieder mutige Schritte. Wir verschmelzen Tradition und Innovation zu einer kraftvollen Vision. Die Veranstaltung zeigt, wie die zeitlose Tiefe christlicher Werte positive Perspektiven für heute anstoßen kann – ohne dabei in überholte Muster zu verfallen oder an der Oberflächlichkeit abzuprallen.
In unserer 9. Auflage sind wir weiter auf der Suche nach einer neuen Sprache für aktuelle Themen und alte Wahrheiten. Wir waren auch dieses Jahr wieder auf der Reise, die uns in neue Sphäre führt.
Neues Denken braucht Mut
Doch warum wagen wir es überhaupt, Tradition und Innovation zu verschmelzen? Weil wir glauben, dass die Tiefe des christlichen Glaubens nichts von seiner Kraft verliert, wenn er neu gedacht wird – im Gegenteil, sie entfaltet sich erst dann ganz. Gerade in einer Welt, die zwischen lauter Meinungen und leeren Phrasen schwankt, ist der Mut zu einer neuen Stimme wichtiger denn je.
Der zweite Tag von Weitwinkel 09 führte uns weiter auf dieser Reise. In einer Welt, die immer schneller wird, brachten wir bewusst Theologie und Kunst, Reflexion und Klang in einen Dialog. Eine neue Perspektive auf altbekannte Wahrheiten war unser Ziel – nicht, um zu provozieren, sondern um zu inspirieren.
Doch ist es überhaupt möglich, die ewigen Prinzipien des Glaubens in die heutige Zeit zu übersetzen, ohne ihre Essenz zu verlieren? Kann Innovation wirklich die Tradition ergänzen und bereichern?
Bonhoeffers Vision auf der Spur
Vor 100 Jahren sprach Dietrich Bonhoeffer von einem Glauben, der sich nicht in Institutionen und Traditionen verliert, sondern lebendig wird – mitten in der Welt, mitten im Leben. Er sagte, die Welt erwacht und kann nicht mehr auf Formulierung und Ideen der Vergangenheit alleine verlassen. Es braucht Innovation, Übersetzung, Mut und Inkarnation. Genau hier setzt wir an: Wir suchen nach einer Sprache und einem Ausdruck, die Glauben wieder relevant machen, ohne ihn seiner Tiefe zu berauben.
Bei Weitwinkel 09 wurde diese Vision konkret. Boris sprach in einem Workshop über die Theologie von Hoffnung. Er zeigte Hauptstränge von Moltmann auf und führte in spannenden Interaktionen in die Tiefen ein. Er sprach von einem Glauben, der nach vorne blick, der erwartet und eine positive Haltung im Leben prägt.
Mark führte uns in eine traditionell-neue Medition mit Musik von Christian Löffler und seinen eindringlichen Texten Momente, die uns alle tief berührten. Die Worte „Dir Jehova“ inmitten eines Ambient-Techno-Sounds waren nicht nur Kunst, sondern auch eine Einladung, Glaube und Innovation neu zu denken.
Es war eine Reise ins Unbekannte, die Mut verlangte: den Mut, Vertrautes hinter sich zu lassen und sich auf neue Ausdrucksformen einzulassen. Doch solche Reisen erfordern nicht nur Ideen, sondern auch Menschen. Wer sind die Persönlichkeiten, die bereit sind, sich auf dieses gefährliche und verheißungsvolle Terrain zu begeben?
Warum wir Hoffnung haben
Am Ende von Weitwinkel 09 bleibt vor allem eins: Dankbarkeit. Dankbarkeit für eine Gemeinschaft von Menschen, die frei genug sind, das Bekannte zu hinterfragen, mutig genug, das Neue zu wagen, und praktisch genug, ihren Glauben in die Tat umzusetzen. Gemeinsam haben wir erlebt, dass Tradition nicht lähmt und Innovation nicht Spielerei ist. Es braucht Herz und Verstand, Tiefe und Leichtigkeit – und vor allem Menschen, die bereit sind, diesen Weg zu gehen. Unsere Spark-Weggefährten erinnern uns daran, dass Glauben keine Theorie ist, sondern eine lebendige Kraft, die Leben und Welt verändern kann. Wir sind unterwegs.